Fanprojektarbeit ist Vertrauensarbeit
Wie in jeder Sozialarbeit ist auch für die Fanprojektmitarbeitenden in Augsburg Vertrauen die notwendige Basis ihres Agierens. Eben dies wird nach einem Urteil aus Karlsruhe auf eine harte Probe gestellt.
Seit 2007 begleitet das sozialpädagogische Fanprojekt in Augsburg junge FCA-Fans und ist damit wichtiger Teil unserer Tribüne. Die Arbeit der Fanprojekte, die mittlerweile an beinahe jedem Fußballstandort der ersten Ligen agieren, ist im Achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII) und dort in den §§ 11, 13 verortet. Fanprojekte leisten Jugendarbeit bzw. Jugendsozialarbeit, kommen somit einem staatlichen Auftrag nach. Gewaltpräventive, demokratiebildende und integrative Arbeit sind die Steckenpferde, die im Fall von Augsburg u.a. durch den Freistaat und die Stadt mitfinanziert werden. Diese Arbeit ist nur möglich ob eines über Jahre hinweg aufgebauten Vertrauensverhältnisses. Die Grundlage dafür, dass das Fanprojekt rund um die Ulrich-Biesinger-Tribüne agieren kann und die sozialpädagogischen Angebote von jungen Fans angenommen werden.
Am 15.03.2024 erhielten drei Mitarbeitende des Fanprojekts Karlsruhe einen Strafbefehl über 120 Tagessätze und gelten somit als vorbestraft. Gerade in sozialpädagogischen Berufsfeldern stellt dies für die meisten Arbeitgebenden ein Ausschlusskriterium dar. Wie kam es dazu?
Nach einer Choreografie der KSC-Fans kam es durch eingesetzte Pyrotechnik zu verletzten Fans. Das Fanprojekt Karlsruhe kam im Nachgang seinem Job nach und vermittelte in der Kommunikation zwischen beteiligten und betroffenen Fans. Dies wurde ihnen nun zum Verhängnis. Durch die vermittelnde Kommunikation vermutete die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ein Mehrwissen zu Namen von tatbeteiligten Fans und lud die Mitarbeitenden vor. Diese kamen – trotz Androhung von Beugehaft – der Aufforderung nicht nach. In Folge machte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe aus potenziellen Zeugen Täter und leitete Strafverfahren gegen die drei ein, was schlussendlich zu einer Aburteilung in Form der Strafbefehle führte.
Mitarbeitende in Fanprojekten unterliegen zwar dem § 203 StGB und haben zu im beruflichen Kontext erlangtem Wissen über Privatgeheimnisse zu schweigen, aber sie haben kein Zeugnisverweigerungsrecht, wie z.B. Juristen oder Ärzte.
Das gefällte Urteil schafft einen Präzedenzfall, der das Potential hat, Fanprojektarbeit in starke Bedrängnis zu bringen und im schlimmsten Fall ihre Arbeitsgrundlage zu zerstören. Vertrauen als notwendige Grundlage für präventive (Jugend-)Sozialarbeit darf nicht eingeschränkt sein.
Das Augsburger Fanprojekt leistet seit nunmehr 17 Jahren wertvolle Arbeit. Sei es antirassistische und demokratiefördernde Grundlagenarbeit wie z.B. mit der Copa Augusta Antiracista, sei es als Vermittler zwischen Interessensgruppen, sei es als beratende und objektive Stimme der Vernunft oder sei es auch nur mal im persönlichen Gespräch bei beruflichen oder privaten Problemen. All dies und viel mehr basiert auf dem Wissen vieler Fans, sich auf die Mitarbeitenden des Fanprojekts verlassen zu können. Doch genau diese Gewissheit könnte nun in Frage gestellt werden. Nicht weil den (Sozial-)Pädagogen an sich misstraut wird, sondern weil die ihnen und ihrer Arbeit zugrundeliegenden rechtlichen Rahmenbedingungen nicht passen.
Fanprojektarbeit hat einen staatlichen Auftrag. Umso perfider wäre es, wenn eben dieser Staat die wichtige Arbeit künftig zunichtemachen würde. Erarbeitetes Vertrauen darf nicht durch drohende Damoklesschwerter von Staatsanwaltschaften in Frage gestellt werden, denn sonst fällt eine wichtige Stütze in der präventiven Jugend(sozial)arbeit weg.
Mitarbeitende in Fanprojekten brauchen ein Zeugnisverweigerungsrecht!
Ulrich-Biesinger-Tribüne e.V.