Das „Projekt“ RB Leipzig
Das „Projekt“ RB Leipzig spielt nunmehr seine siebte Saison in der höchsten Spielklasse des deutschen Fußballs. Was 2016/17 mit erheblichem Widerstand durch Fanszenen begann, ist mittlerweile etwas, dass es heimlich, still und leise geschafft hat, Teil von etwas zu werden, das es nicht verdient hat.
Fußball, das ist, so stumpf es klingen mag, mit Emotionen, Begeisterung, Gemeinschaft und sozialem Zusammenhalt verbunden. Der FCA steht nicht nur für Fußball, sondern auch für die Liebe zu unserer Heimatstadt und ganz Schwaben. Deshalb sind wir keine Fußballkunden, sondern mit Leib und Seele FCA-Fans.
Auch wenn die Proteste rund um das Konstrukt abnehmen, ändert das nichts an den Sorgen um die Zukunft des Fußballs. Super League und augenscheinliche Verstöße gegen das Financial Fairplay sind nur die Spitze einer Entwicklung, die den Sport zerstört bzw. zumindest erheblich beschädigt. Was einst ein Wettbewerb von demokratischen und regional verwurzelten Vereinen war, wird so zu einer Werbeplattform irgendwelcher Unternehmen oder Personen.
Dementsprechend ist RB Leipzig natürlich nicht der alleinig Schuldige, aber dadurch wird eben alles verkörpert, was falsch läuft, denn genau hier wird der Sport auf eine Werbefläche reduziert.
An dieser Stelle lässt sich natürlich ganz einfach sagen, dass dies eben ein Effekt der „Professionalisierung“ im Fußball ist und die bisher geäußerte und weiterhin bestehende Kritik realitätsfremd sei. Auf den ersten Blick mag dies vielleicht noch stimmen, doch die Ablehnung dessen basiert auf viel mehr als einer grundsätzlichen Fußballromantik. Es geht dabei um die faktische Aushebelung von Regularien, die anderen Vereinen auferlegt wurde und eingehalten werden müssen.
An dieser Stelle kann bereits zeitlich früh angesetzt werden. Die Statuten der DFL erlauben im Grundsatz nicht, dass ein Club ein Firmenlogo oder Werbebotschaften als sein Wappen nutzt (Anhang IV, § 9 Abs. 5 Lizenzierungsordnung). Davon ausgenommen ist die Werksmannschaft Bayer 04 Leverkusen, deren Logo um einiges älter ist als die Lizenzierungsordnung der DFL.
Dennoch nutzte RB Leipzig bei seinem Aufstieg in die 2. Bundesliga das Markenlogo des hauseigenen Getränkekonzerns. Dies stellt einen absoluten Affront gegenüber allen anderen Vereinen dar, denn weder der Vorgängerverein SSV Markranstädt, dessen Startrecht RB im Jahre 2009 erworben hat, noch die Stadt oder Region Leipzig führen rote Rindviecher in einem Wappen. Hier wird bereits besonders deutlich, dass es bei dem Konstrukt schlicht und ergreifend um effektive Werbung für einen Konzern geht.
Zwar wurde das Logo abgeändert, dennoch dürfte bei einer genaueren Betrachtung auffallen, dass eine gewisse Ähnlichkeit zur bestehenden Marke gegeben ist.
Befürworter derartiger Sport-Projekt mögen an dieser Stelle anbringen, dass Marketing für den eigenen Konzern wichtig ist. Schließlich würde niemand an dieser Stelle nutzlos Geld ausgeben, sondern wirtschaftlich kalkulieren und nachhaltig investieren.
Wie man an dieser Stelle nun eine wirtschaftliche Kalkulation oder nachhaltige Investition auslegt, ist entscheidend. Denn die Geldanlage in das Projekt RB Leipzig zielt sicher nicht darauf ab, das große Geld zu machen. Dafür ist der Erfolgsschlager des Unternehmens da. Es zielt viel mehr darauf ab, eine Marke im nationalen wie internationalen Geschäft bekannter zu machen und in den Köpfen der Menschen zu verankern. Wie dies geschieht, dürfte jedem klar sein. Markenwerbung auf den Trikots, Markenwerbung im Stadion, sodass es auch TV-Zuschauer sehen, an dieser Stelle ganz zu schweigen von anderen Sparten wie dem Motor- oder Extremsport.
Wozu derartige Investitionen jedoch führen werden ist klar: Der Verdrängung regionaler und demokratischer Vereine mit unlauteren Mitteln aus der Bundesliga. Dies wird allerdings immer noch von vielen Offiziellen heruntergespielt und als Teil des ganz normalen Wettbewerbs abgetan. Es kann sich ja prinzipiell jeder einen Geldgeber suchen. Doch selbst wenn jeder der 36 Profivereine einen Investor finden würde, zeigt das internationale Geschäft wo man dann hinkäme. Finanzielle Materialschlachten, die jedes Jahr perfidere Transfersummen einzelner Spieler auslösen und letztlich aufzeigen, dass es sich in den Augen von Investoren bei Fußballvereinen nur noch um das private Vergnügungsinstrument handelt, mit dem man sich eben profilieren kann.
Blöd nur, dass im Bereich der DFL die 50+1 Regel gilt und der Stammverein, damit die Mitglieder, im Club das Sagen haben müssen, auch wenn die Profiabteilung in eine AG, KGaA oder GmbH ausgegliedert wurde. Das sollte man zumindest meinen. Wie das umgangen werden kann, davon können wir auch in Augsburg ein Lied singen, bestand lange eine Personengleichheit zwischen Vorstandsvorsitzendem des e.V., dem Geschäftsführer der Beteiligungs GmbH und dem Geschäftsführer der Investoren GmbH.
Dennoch kann beim Fußball-Club Augsburg 1907 e.V. jede/r Mitglied werden und hier sind wir beim entscheidenden Unterschied. Beim Konstrukt hat der Stammverein vermutlich 21 stimmberechtigte Mitglieder. Über die Aufnahme von neuen Mitgliedern entscheidet der Vorstand, der Anträge ohne Begründung ablehnen darf. Nahezu alle Positionen im Verein und Club werden durch Mitarbeiter von Red Bull besetzt bzw. durch Personen, die von RB bezahlt werden.
Allgemein ist dieser zumindest formal genannte Verein so undurchsichtig, als würde man versuchen etwas zu verheimlichen. Von sämtlichen Stammvereinen der Proficlubs kann die Satzung zumindest auf der eigenen Website abgerufen werden, Ausnahme RB Leipzig.
Im Rahmen der Lizenzvergabe von RB Leipzig für die 2. Bundesliga musste aber selbst die DFL feststellen, dass die Auslebung des Vereins- bzw. Mitgliederwesens faktisch nicht vorhanden war, sodass dem Verein Auflagen für die Zulassung gemacht wurden. RB musste sich für mehr Menschen öffnen und demokratischer organisieren. Deswegen führte man kurzum eine sogenannte „Fördermitgliedschaft“ ein. Hier kann man eine Bronze- (100 €), Silber- (500 €) oder Gold- (1.000 €) Mitgliedschaft erwerben. Allerdings ohne Stimmrecht im Verein. Das hat mit Demokratie nichts zu tun.
Die Lizenz für die 2. Bundesliga erhielt RB Leipzig auch durch die Abgabe einer verbindlichen Erklärung, seine Gremien mit unabhängigen Persönlichkeiten zu besetzten. Dies äußert sich zum Beispiel darin, dass ein Fördermitglied in den Aufsichtsrat berufen wird. Ein Sinnbild der Lächerlichkeit.
Als Begründung für diese undemokratischen Entwicklungen wird meist ins Feld geführt, dass durch die Professionalisierung des Sports der wirtschaftliche/unternehmerische Faktor immer wichtiger werde. Deshalb müssten alle wesentlichen Entscheidungen von erfahrenen/kompetenten Personen gefällt werden. Die „einfachen“ Mitglieder seien gar nicht in der Lage, solch Sachverhaltskomplexe und deren Folgen zu beurteilen. Dagegen gibt es ein einfaches und klares Argument: Demokratie kennt keine qualifizierten oder unqualifizierte Menschen! Eine demokratische Entscheidung sollte immer das Ergebnis von umfassender Information, zum Beispiel durch Personen mit Kompetenzen und Fachwissen, ausreichender Diskussionen zwischen allen von der Entscheidung Betroffenen und einer demokratischen Abstimmung sein. Wer dies nicht will, ist kein Demokrat und hat an Demokratie auch kein Interesse.
Exakt hier wurde es allerdings auch seitens der DFL verpasst, konkrete Regularien einzuführen, die das Modell RB Leipzig in seiner aktuellen Form abschaffen würde. Stattdessen wurde das Konstrukt bei der „zukunftssicheren Anpassung“ der 50+1 Regel ausgeklammert und sich lieber auf die offensichtlichen wie den VfL Wolfsburg und Bayer 04 Leverkusen gestürzt.
All das ist eben mehr als der bloße Wunsch von Fußballromantikern nach traditionellem Fußball. Sicher sind wir uns alle bewusst, dass Veränderungen in jeder Hinsicht zum Leben dazugehören. Entscheidend ist aber, wie eine derartige Veränderung aussieht oder ob es sich um ein konträres Bild zum Gewohnten handelt.
Wenn der Fan zum Kunden und der Spieltag zu einem Event wird, verdrängt das die einmalige Stimmung im Stadion mit den Anhängern, ihren selbstgemachten Bannern, Fahnen und Choreographien. Dem gilt es weiterhin entschieden entgegenzutreten. Der Fußball muss die Identifikationsmöglichkeit für sämtliche Menschen einer Stadt oder Region bleiben, um Emotionen und Kreativität Ausdruck verleihen zu können.
Ulrich-Biesinger-Tribüne e.V. im April 2023